Meisterin in einer Männerdomäne
Alicia Süssenbach ist Führungskraft – anderthalb Jahre nach ihrer Gesellinnenprüfung
Quelle: Nikias Schmidetzki Die Harke 03.05.25
Mit gerade 20 Jahren ist Alicia Süssenbach aus Lemke Meisterin im Sanitärhandwerk – und damit gleich doppelt außergewöhnlich.
Lemke. Ihr Hauptarbeitsplatz ist mittlerweile der Schreibtisch. Doch wenn es ihr möglich ist, dann fährt Alicia Süssenbach auch raus zu den Kunden, auf die Baustellen.
Denn deswegen habe sie den Beruf ja erlernt – und es innerhalb kürzester Zeit bis zur Meisterin gebracht.
Mit gerade 20 Jahren hat sie den Brief als Heizungs- und Installationsmeisterin in der Tasche.
Das ist doppelt außergewöhnlich. Ihr junges Alter ist eine Sache, die aufhorchen lässt. Überhaupt 20-jährige Meistertitelträger zu finden, gestaltet sich als schwierig.
Und die Tatsache, dass Alicia Süssenbach eine Frau ist, ist mindestens ebenso besonders.
Frau in einer Männerdomäne
Denn nach wie vor ist das Handwerk stark von Männern geprägt. Es gibt Gewerke, da ist das noch stärker ausgeprägt, als bei anderen.
In ihrem Fall, erzählt die 20-jährige, sei sie die einzige weibliche Auszubildende im Bereich Anlagemechanik für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (SHK) im Jahrgang gewesen. In anderen Ausbildungsjahrgängen, sagt sie, sah es nicht anders aus.
Vielleicht war es am Ende naheliegend, dass die junge Frau diesen Schritt ging. Aber selbstverständlich war es nicht. Naheliegend deshalb, weil ihr Vater Philipp ebenfalls Meister ist und den Betrieb „Süssenbach“ in Lemke führt, weil ihre Mutter Claudia sich um dort um die Buchführung kümmert, und weil Alicia schon als Kind viel Zeit im Betrieb verbracht hat. Aber eben nicht selbstverständlich, weil ihr lange nicht klar gewesen sei, ob das Handwerk wirklich das Richtige für sie ist.
Heute weiß sie: Es ist genau das Richtige. „Ich mache es wirklich gerne“. Und eben deshalb zieht es sie auch weiter raus aus dem Büro und ran an die Anlagen.
Vor allem, wenn es um Klimatechnik geht und das noch junge Inliner-Verfahren. Dabei werden Rohre saniert, ohne buddeln zu müssen.
Die Jung-Meisterin hat ihre Eltern davon überzeugt und hinterlässt somit schon erste Fußabdrücke im Unternehmen.
Dass sie ihr Handwerk versteht, müsse sie dennoch häufiger unter Beweis stellen als ihre männlichen Kollegen, meint Süssenbach.
Kunden schauten oftmals genauer hin, weil sie skeptischer seien. Hinzu kämen auch immer mal wieder ein Spruch und der eine oder andere Pfiff, der ihr gelte – nicht bei Privatkunden, sondern auf Großbaustellen. Intern sei das aber gar kein Problem. Im Gegenteil: Ihre Kollegen stünden ihr im Fall des Falles zur Seite.
Ohnehin sei die Akzeptanz mit dem Gesellenbrief gestiegen. „Ich denke, ein paar Vorurteile habe ich aus dem Weg geräumt“, sagt Süssenbach.
Ihre Hoffnung ist dennoch: „Es wäre schön, wenn es mehr Frauen werden würden.“
Auch aufgrund des familiären Hintergrundes habe es kritische Anmerkungen gegeben.
Doch die 20-Jährige ist bodenständig und weiß: „Bei der Berufserfahrung habe ich noch Nachholbedarf. Ich lerne noch“.
Dafür versteckt sie sich nicht, übernimmt Verantwortung und kommt, wie ihr Vater auch, auf 50 bis 60 Arbeitsstunden pro Woche.
Alicia Süssenbach packte eine Chance beim Schopf, die sich durch ein einmaliges Angebot der Handwerkskammer Hannover gegeben hatte.
Sie büffelte parallel zur Ausbildung fürs Abitur. Zunächst bedeutete das, einen zusätzlichen Tag die Schule besuchen, später ersetzt durch zusätzlichen Unterricht am späten Nachmittag. Viel arbeiten kennt sie also.
Die eigentliche Ausbildung durfte die junge Frau bereits aufgrund ihrer guten Leistungen um ein halbes auf drei Jahre verkürzen. Die Meisterschule schloss sie an, zwischendurch erwarb sie noch den „Kälte- und Klima-Schein“. Am 1. April schließlich folgte die letzte Prüfung.
Für Vater Philipp Süssenbach ist die Entscheidung der Tochter, dem ältesten von drei Kindern, vor allem eine für die Zukunft.
Auch wenn eine Betriebsübergabe noch in weiter Ferne liegt, sagt er: „So wissen wir, dass wir gemeinsam einen Schritt nach vorne gehen könne.“
Druck hätten die Eltern aber zu keiner Zeit aufgebaut, sagt er. Und Tochter Alicia bestätigt das.
Mit einem Praktikum im elterlichen Betrieb habe alles einst angefangen.
Danach sei ihr klar gewesen, dass es sie ins Sanitär-Handwerk ziehe. Dem Familienbetrieb hielt sie dabei stets die Treue, was sich auch nicht ändern soll.
Schon heute zeichnet Alicia Süssenbach für die Auszubildenden verantwortlich. Immerhin vier beschäftigt der Betrieb; bei insgesamt 16 Kollegen und Kolleginnen.
Für den Sommer ist noch ein Platz frei, der besetzt werden soll. Mit dieser Perspektive lassen sich Pläne deutlich besser schmieden.
Und die hat die Firma Süssenbach, die 2007 ins Lemker Gewerbegebiet gezogen ist. Um zu erweitern, soll das gegenüberliegende Gelände genutzt werden.
Für die potenzielle Chefin in spe, die 20-jährige Meisterin, sind das gute Aussichten.